So viele Seiten Bericht – wozu das alles?

Bereits jetzt sind Nachhaltigkeitsberichte oft mehrere hundert Seiten lang und man fragt sich, wozu jedes Jahr so viel Papier verbraucht wird. Die Kolleg:innen unterschiedlichster Abteilungen sammeln (oft begleitet von Schwitzen und Fluchen) Berge von Daten und man saugt sich Texte aus den Fingern, die sich auf dem schmalen Grat zwischen โ€œmรถglichst toll klingenโ€ und โ€œhalt halbwegs den Tatsachen entsprechenโ€ liegen. Und: In Zukunft werden es noch wesentlich mehr Informationen sein, die gefordert sind. Wird es das wert sein?

Inhaltsverzeichnis

Das Wichtigste zusammengefasst

  • Nachhaltigkeitsberichte sind heute oft schon hunderte Seiten lang (Tendenz steigend) und die bevorstehende Regulatorik erfordert noch viel mehr Informationen. So sollen Transparenz und Vergleichbarkeit geschaffen werden, die essenziell sind fรผr den รœbergang zu einem nachhaltigen Wirtschaftssystem.
  • Investor:innen, Konsument:innen und viele andere Stakeholdergruppen berรผcksichtigen zu einem GroรŸteil schon heute Nachhaltigkeitsfaktoren in ihren Entscheidungen. Somit wird ESG essenziell um den Zugang zu Kapital, Absatzmรคrkten und auch Arbeitskrรคften zu sichern.
  • AuรŸerdem sind die Fragestellungen der Regulatorik – wenn ernsthaft genutzt – ein wichtiges Werkzeug, um Unternehmen รผberlebens- und wettbewerbsfรคhig zu machen vor dem Hintergrund der massiven (realen) Herausforderungen der Zukunft.

Hunderte Seiten ESG-Bericht schon heute

Die Anzahl der verรถffentlichten ESG- bzw. Nachhaltigkeitsberichte und auch deren Seitenumfang nimmt seit einigen Jahren stetig zu. Vor kurzem erst fiel uns ein Bericht mit 499 Seiten an der Zahl in die Hรคnde. Das ist zwar eher die Ausnahme als die Regel, aber im europรคischen Durchschnitt liegen die Nachhaltigkeitsberichte der grรถรŸten Unternehmen bei rund 240 Seiten (Stand 2018). Fรผhrend sind dabei der Finanzsektor und die ร–l- und Gasbranche. [1]

Hinzugefรผgt werden muss, dass hier bestimmt UnternehmensgrรถรŸe, Druck auf die Branche und nationale Umsetzung von Berichterstattungspflichten eine wesentliche Rolle spielen. Fรผr Deutschland finden sich z.B. durchschnittliche Seitenzahlen von 46 bzw. 22, je nachdem ob es sich um einen gesonderten Nachhaltigkeitsbericht oder die Verรถffentlichung als gesonderter Abschnitt des Lageberichts handelt. [2]

Die Vorgaben fรผr ESG- bzw. Nachhaltigkeitsberichte werden in Zukunft Dank CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive), ESRS (European Sustainability Reporting Standards) und Taxonomie deutlich detaillierter. Da somit mehr (qualitative und quantitative) Angaben gefordert sind, wird der Informationsgehalt der Berichte auf jeden Fall zunehmen (mรผssen). Die verpflichtende Integration in den Lagebericht wird jedoch gleichzeitig dazu fรผhren, dass man sich um โ€œknackigereโ€ Berichte bemรผhen wird. Somit werden die Berichte vermutlich nicht proportional zu den geforderten Angaben lรคnger.

Alles fรผr den รœbergang zu einem nachhaltigen Wirtschaftssystem

Also wozu nun das viele Papier? Die EU-Ziel hat sich das Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf null zu reduzieren und dadurch die schlimmsten Konsequenzen fรผr die Menschheit noch abzuwenden, werden bis 2050 rund 125 Billionen US Dollar an Investitionen benรถtigt. [3] Damit die Kapitalstrรถme ihren Weg zu den richtigen Unternehmen finden, braucht es verlรคssliche Transparenz und Vergleichbarkeit รผber die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen. Hierfรผr wurden die bestehenden Berichterstattungsvorgaben der NFRD (Non-financial Reporting Directive) fรผr eindeutig nicht ausreichend befunden.

Ein wichtiges Puzzle-Teil fรผr die Lenkung der Kapitalstrรถme sind die Transparenzanforderungen des Finanzsektors. Dieser muss offenlegen, inwieweit Geld in nachhaltige Unternehmen flieรŸt. Um die Nachhaltigkeit eines Unternehmens verlรคsslich zu beurteilen, muss wiederum eine entsprechende Datengrundlage auf Unternehmensseite gegeben sein. Aktuell werden dafรผr oft Daten รผber externe Anbieter bzw. Ratingagenturen herangezogen (welche teils unterschiedliche Methodologien und Ergebnisse liefern) bzw. Daten direkt von Unternehmen abgefragt. In ร–sterreich spiegelt der ESG Data Hub der OeKB diese Herausforderung wider – er soll in Zukunft den Datenaustausch mit Banken vereinfachen.

Maximale Transparenz und Vergleichbarkeit

Die Verfรผgbarkeit von ESG-Daten sowie die Reduktion von Informationskosten werden jedenfalls explizit als Beweggrรผnde der CSRD genannt. Ebenso die Verlรคsslichkeit von Informationen fรผr Stakeholder insgesamt und Vermeidung von Greenwashing sowie die Ermรถglichung eines besseren sozialen Dialogs fรผr Gewerkschaften und Vertretungen von Arbeitnehmer:innen. AuรŸerdem soll durch eine relevante und ausreichende Datenbasis der Aufwand fรผr ad hoc Auskรผnfte bei Unternehmen reduziert werden. Diese binden in der aktuellen Praxis hรคufig wichtige Ressourcen.

Eines ist klar: Die Granularitรคt der neuen Anforderungen aus CSRD bzw. ESRS wird einen neuen MaรŸstab der Transparenz mit sich bringen und die ESG-Berichterstattung รผber kurz oder lang auf eine Ebene mit der Finanzberichterstattung heben. Gleichzeitig werden diese detaillierten Informationen durch das vorgeschriebene digitale Tagging viel leichter auslesbar und verfรผgbar werden. D.h. Geldgeber:innen, Konsument:innen/Kund:innen und andere Stakeholder werden ein leichtes Spiel haben, sich auf Basis der ESG-Leistung fรผr oder gegen ein Unternehmen als Investment, Lieferant/Verkรคufer, Arbeitgeber usw. zu entscheiden.

ESG essenziell fรผr Zugang zu Kapital und Absatzmรคrkten

Interessieren sich Stakeholder tatsรคchlich fรผr die Nachhaltigkeit von Unternehmen? Aktuelle Trends zeichnen ein klares Bild. Mehr als die Hรคlfte der Konsument:innen kรผmmert sich um ESG- bzw. Nachhaltigkeitsfaktoren. Ein paar Beispiele:

  • 67% der Befragten in ร–sterreich sagen, sie haben in der Vergangenheit Lebensmittel aufgrund von sozialen, รถkologischen oder politischen Grรผnden gezielt gekauft bzw. nicht gekauft (boykottiert). [7]
  • ein groรŸer Teil der Konsument:innen achtet regelmรครŸig auf Nutzungsdauer/Haltbarkeit (52%), Recyclingfรคhigkeit (44%) und Regionalitรคt und Saisonalitรคt (43%); 37% stimmen Preissteigerungen fรผr hรถhere Nachhaltigkeit von Produkten zu. [8]
  • 62% der Gen Z sind bereit mehr fรผr lokal produzierte Lebensmittel zu bezahlen, 52% fรผr biologische; ca. 45% sind bereit mehr fรผr nachhaltig bzw. ethisch produzierte non-food Produkte zu bezahlen; fรผr รผber ein Drittel spielt Verpackung eine Rolle bei den Kaufentscheidungen. [9]

Auch beim GroรŸteil der Investor:innen ist ESG schon lรคngst angekommen: Je nach Umfrage, die man heranzieht, sind das zwischen 50 und 85%.

  • Schon in 2016 gaben 63% der institutionellen Anleger:innen in Europa an, Nachhaltigkeitskriterien zu berรผcksichtigen. [4]
  • Umfragen aus 2022 ergaben, dass 85% der Investor:innen die SDGs berรผcksichtigen um die Auswirkungen ihrer Investitionen zu verstehen; 50% integrieren sie direkt in den Anlageprozess. [6]
  • um die 70% der Investor:innen wollen Informationen รผber die Relevanz von Nachhaltigkeitsaspekten fรผr das Geschรคftsmodell des Unternehmens, รผber den Effekt von Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen auf die Annahmen des Finanzberichts bzw. รผber die Kosten um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. 60% wollen Informationen รผber den Impact des Unternehmens auf Gesellschaft oder Umwelt. [5]

Eine Frage der Zukunftsfรคhigkeit fรผr Unternehmen

Reine Schikane von Geldgeber-Seite? Wohl kaum. Es ist klar geworden, dass die Wechselwirkung zwischen Unternehmen, Umwelt und Gesellschaft zukunftsweisend ist. Die รถkologischen und sozialen Auswirkungen von heute sind die Unternehmensrisiken von morgen: Laut WEF (World Economic Forum) Risk Report 2023 sind die Top 3 Risiken fรผr die nรคchsten 10 Jahre Klima und Naturkatastrophen, gefolgt von Biodiverstitรคtsverlust und ร–kosystemkollaps sowie massiver unfreiwilliger Migration (welche wiederum stark von den zuvor genannten Risiken getrieben sind). [10] Diese manifestieren sich fรผr Unternehmen in Kostensteigerungen, Ressourcenengpรคssen, Lieferkettenunterbrechungen, UmsatzeinbuรŸen usw., welche die Zukunftsfรคhigkeit von Geschรคftsmodellen beeinflussen. Nur logisch, wenn Geldgeber wissen wollen, ob ihre Investments in einigen Jahren noch lukrativ oder รผberhaupt existent sind.

Insofern kann man die durchaus fordernden Berichtsvorgaben als einen Treiber zum langfristig erfolgreichen Wirtschaften sehen. Natรผrlich ist das mit einem gewissen Aufwand und Verรคnderungsschmerz verbunden. Der Bericht schreibt sich nicht von selbst und um รผberhaupt etwas berichten zu kรถnnen, muss ESG tatsรคchlich in Strategie, Strukturen und Prozesse integriert werden. Aber wenn die Anforderung sowieso besteht – warum diese Gelegenheit nicht nutzen, um

  • Risiken und Chancen frรผhzeitig zu erkennen,
  • den Zugang zu Kapital sichern,
  • neue Absatzmรคrkte zu erschlieรŸen und
  • die Zukunftsfรคhigkeit des Geschรคftsmodells sicherzustellen?

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Quellen

[1] https://www.researchgate.net/figure/Length-of-report-on-average-per-sector_tbl5_324496288

[2] https://www.drsc.de/app/uploads/2021/06/210128_CSR-Studie_final.pdf

[3] https://climatechampions.unfccc.int/whats-the-cost-of-net-zero-2/#:~:text=%24125 trillion of climate investment,put the world on track.

https://youtu.be/FoMzyF_B7Bg

[4] https://www.wir-leben-genossenschaft.de/de/Investoren-in-Europa-setzen-auf-Nachhaltigkeit-2501.htm

[5] https://www.pwc.com/gx/en/global-investor-survey/PwC-Global-Investor-Survey-2022.pdf

[6] https://www.die-stiftung.de/slider/aktuelle-studie-wie-investoren-nachhaltigkeit-gestalten-94368/

[7] https://www.arbeiterkammer.at/service/presse/Studie_Nachhaltiger_Konsum_2022.pdf

[8] https://hub.kpmg.de/consumer-barometer-2022-02?utm_campaign=CG – Consumer Barometer 2%2F2022&utm_source=AEM_de&utm_medium=AEM_de

[9] https://www.pwc.de/de/handel-und-konsumguter/gen-z-is-talking-are-you-listening.pdf

[10] https://www3.weforum.org/docs/WEF_Global_Risks_Report_2023.pdf

Image by Racool_studio on Freepik

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